Wenn es um das Thema Pflege geht, denken viele Menschen an ältere Personen, die Betreuung oder Unterstützung im Alltag benötigen. Auf die Pflege von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung oder schweren Erkrankungen wird dabei häufig vergessen: Die Pflegeassistentin Katrin* erzählt der Solidarität, was den Job so anstrengend macht und warum durch Einsparungen die Arbeit in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist.

 

Solidarität: Du arbeitest seit vielen Jahren als Pflegeassistentin mit Kindern und Jugendlichen, wie hat sich im Laufe deiner Berufstätigkeit der Arbeitsalltag verändert?

Katrin: Was wir sehr merken ist die Veränderung beim Betreuungsschlüssel. Am Anfang meiner Ausbildung – vor etwa 40 Jahren – war viel mehr Personal auf der Abteilung. Es gab weniger Patient*innen pro Krankenpfleger*in. Heute muss alles gleich funktionieren, nur mit viel weniger Angestellten. In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich das Arbeitsklima stark verändert. Es ist nicht mehr so sozial und solidarisch. Das äußert sich eben zum Beispiel darin, dass viel weniger Zeit für Patient*innen da ist und dadurch auch deren Versorgung leidet. Gespräche mit den Patient*innen sind kaum mehr möglich. Es geht nur mehr um Einsparungen. Ein gutes Beispiel dafür ist auch, dass wir nachts nur eine Nachtzulage bekommen, wenn Patient*innen in der Notfallambulanz nach Mitternacht anwesend sind, obwohl wir die ganze Nacht wach sind, auch wenn niemand kommt.

Diese Misere hat man nun auch an den Intensivbetten in der COVID-Pandemie gesehen: Sie sind zu knapp berechnet. Das Spital wird nur noch gewinnorientiert geführt. Wir mussten teilweise bei Notfällen unsere Arbeit unterbrechen, damit keine Überstunden gemacht werden.

Solidarität: Habt ihr das Problem in der Arbeit angesprochen?

Katrin: Ja, wir haben diese Problematik der personellen Unterbesetzung in Gesprächen mit den Chef*innen angesprochen. Als Antwort bekamen wir, dass der Personalschüssel adäquat und realistisch sei. Es wird jedoch nicht berücksichtigt, dass einige Kolleg*innen teilweise in Karenz sind oder an andere Abteilungen „ausgeborgt“ wurden, also in anderen Bereichen eingesetzt werden.

Solidarität: Wie wirkt sich das auf euer Team aus?

Katrin: Diese Situation zeigt sich auch in der Gruppendynamik. Sich emotional zu äußern, ist nicht mehr erwünscht. Eine Gruppenbildung wird nicht mehr unterstützt, damit die kritischen Stimmen nicht zu stark werden. Wer gegen den Strom schwimmt und etwas sagt, muss Angst haben, gekündigt zu werden. Das wird auch offen per Mail kommuniziert.
Die Stationsschwestern, die eine leitende Funktion haben, sind nicht mehr da, um die Meinung des Teams zu vertreten, sondern um die Order von oben auszuführen. Früher wurden die Probleme im Team besprochen, nun trauen die Pflegenden sich das nicht mehr. Früher gab es Supervision, die wurde allerdings aufgelöst.

Solidarität: Der Pflegeberuf gilt häufig als „Frauenberuf“, wie nimmst du das wahr? Wie erlebst du die Wahrnehmung des Pflegeberufs generell?

Katrin: Es war früher ein reiner Frauenberuf. Die Reaktion bei mir als Kinderkrankenpflegerin ist meist: „Mei wie lieb!“ Aber die ganze Arbeit, die dahinter steht, wird belächelt. Es muss in der Gesellschaft ankommen, dass es nicht nur Körperpflege ist. Inzwischen wird der Beruf durch das Studium auch attraktiver für Männer. In Führungspositionen sind Männer allerdings schon immer tendenziell willkommener. Patient*innen nehmen die Pflege häufig als schmutzigen Beruf wahr. Sexistische Aussagen der Eltern der Patient*innen sind Alltag. In stressigen Situationen wurde ich des Öfteren beschimpft.
Wir wurden bei langer Wartezeit – in der Winterzeit warten Patient*innen bei uns bis zu fünf bis sechs Stunden – mit Sachen beworfen. Einmal wurde sogar eine Kollegin verletzt. Sie hat dann persönlich Anzeige erstattet. Der Krankenanstaltsträger hat aber nicht reagiert.

Solidarität: Was würde es brauchen, um die Personalengpässe zu verbessern?

Katrin: Es besteht ein Fachkräftemangel, das steht außer Zweifel. Es gibt kaum mehr spezialisierte Krankenpfleger*innen. Ich bin der Meinung, dass die 30-Stunden-Woche eingeführt werden sollte. Somit würden einerseits mehr Leute einen Arbeitsplatz bekommen und der Job würde andererseits auch attraktiver werden und mehr Leute ansprechen. Zurzeit machen wir acht Nachtdienste im Monat – das sind fast zwei Nächte die Woche. Die letzten Jahre werden zur Errechnung des Pensionsanspruchs verwendet. Dadurch sind wir gezwungen, so viele Nächte zu machen – auch kurz vor der Pension. Das ist körperlich sehr anstrengend. Mein Biorhythmus ist komplett durcheinander. Ich merke, dass ich eigentlich längere Erholungszeiten bräuchte. Eine Altersteilzeit würde diese Probleme lösen.

Solidarität: Wie hat sich die Ausbildung verändert?

Katrin: Sie ist viel wissenschaftlicher geworden, nicht mehr so praxisbezogen wie früher. Ich finde, sie sollte länger dauern. Momentan dauert sie drei Jahre. Mit dem Pensum an Wissen sollte sie vier Jahre dauern. Mir fällt aber auf, dass die Jungen durch ihr Wissen nun viel selbstbewusster sind. Für das Studium ist eine Matura notwendig, somit sind die jungen Kolleg*innen auch älter bei Arbeitsbeginn – das fördert auch das Selbstbewusstsein. Früher wurden wir zum Kaffeekochen geschickt, das lassen sich die Jungen nicht mehr gefallen. Die Hierarchien werden dadurch flacher. Zumindest in diesem Bereich ändert sich etwas!

Solidarität: Was sind deine Forderungen an die Regierung?

Katrin: Altersteilzeit muss möglich sein, es braucht die 30-Stunden-Woche für alle und eine bessere Bezahlung, vor allem ein höheres Grundgehalt. Der Betreuungsschlüssel muss sich verbessern, damit wir unsere Arbeit gut und gerne machen können. Dafür muss Schluss sein mit der Ökonomisierung der Krankenhäuser! Ich würde mir auch eine Infektionszulage für alle wünschen. Vor allem zu Zeiten der Covid-Pandemie wäre das doch das Mindeste.

* Der Name wurde aus Anonymitätsgründen geändert.

 


Die Kampagne der Solidarität für bessere Arbeitsbedingungen
• “Klatschen ist nicht genug” – Alle Forderungen der Solidarität findest du hier.
• Über 2.700 Menschen haben unsere Petition unterschrieben.
• Über 1.000 Personen haben ein Kommentar für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege hinterlassen.
Kontrast.at, NeueZeit.at und Zett haben über unsere Kampagne berichtet.
• Schau dir hier unsere Videos mit 24-Stunden-Betreuer*innen und Pflegekräften an.